Der Verein
Agile Hofgemeinschaft Breitenbach e.V.
Neun Gründungsmitglieder unterzeichneten das Gründungsprotokoll 24.03.2023
Von Links nach rechts:
Stefan Knoche (Bürgermeister von Bebra), Katja Schade (Beisitzerin), Thomas Brandau (Kassenwart), Tanja Wohlberedt (Kassenprüferin), Guido Zilch (Ortsvorsteher Breitenbach), Manuela Schade (1. Vorsitzende), Christiane Marth (Unterstützerin), Sandra Brehm (Schriftführerin),
Esther Reich (2. Vorsitzende)
Die Geschichte: Zur Bedeutung des Gutshof
von Martin Ludwig, Bebra-Breitenbach
In der heutigen Hofgasse 6 und 7 in Breitenbach befindet sich ein uralter Gutshof. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, das Alter dieses Gebäudekomplexes zu bestimmen sowie die kulturgeschichtliche Bedeutung dessen hervorzuheben.
Seit etwa 2000 Jahren lebte in der Gegend um Breitenbach der germanische Stamm der Chatten, dessen Ursprünge im Dunkeln liegen. Mit dem Beginn des Mittelalters drängten nach 500 die im mittleren Maingebiet ansässigen Franken nach Norden. Sie besiegten die Thüringer und zogen dann über die Werra-Fulda-Wasserscheide nach Westen in das Gebiet der Chatten. Die Franken gründeten auch im Fuldatal neue Siedlungen oder übernahmen auch bereits existierende chattische Orte. Vermutlich entstand Breitenbach als fränkische Siedlung am Fuldaknie Verlauf des 8./9. Jahrhunderts. Für die Phase der fränkischen Landnahme sind die Dorfnamen mit den Endungen -dorf, -heim, -bach, -feld und -hausen typisch.
Die Franken bauten auf ins Flusstal vorspringenden Gebirgszügen Abschnittsburgen, um ihren Machtbereich zu sichern. Hierbei handelte es sich oft um befestigte Gutshöfe. Diese lagen oft inmitten der dazugehörigen Güter und konnten so leicht versorgt werden. Solche Gutshöfe wurden mit dem lateinischen Namen „curtis“ oder dem deutschen Namen „Pfalz“ bezeichnet. In Breitenbach befand sich ein solcher Gutshof. Man kann ihn später durchaus als „Königspfalz“ bezeichnen. Dieser Gutshof lag an der Stelle der heutigen Hofgasse 6 und 7.
Der Bau dieses Gutshofes fällt vermutlich schon in die erste Epoche des Burgenbaus in unserer Landschaft. Nach den Einfällen der Ungarn in das Reich in den Jahren 919 und 924 ließ der sächsische König Heinrich I. (919-936) verstärkt Burgen und Gutshöfe bauen, auch im Bereich der Reichsabtei Hersfeld. Der Weg über den Hönebacher Sattel galt als eine mögliche Durchbruchstelle für die aus Thüringen heranreitenden Ungarn. Die exponierte Lage des Gutshofes in Breitenbach am Rand des Fuldatals spricht für einen frühen Bau, um die Klöster Hersfeld und Fulda zu schützen.
Ein konkreter Hinweis auf den Gutshof könnte in der Ortsbezeichnung „Solium Gumberti“ (Herrensitz des Gumbert) liegen. Diese Ortsbezeichnung taucht in der Beschreibung des Hersfelder Wildbannes „Eherinevirst“ vom 30. Mai 1003 auf. Der Hersfelder Abt Bernhard erwarb von König Heinrich II. (973-1024) den Forst- und Jagdbann in diesem Waldgebiet. In dieser Grenzbeschreibung werden die heutigen Wüstungen Breitingen (bei Rotenburg) und Ukefort (bei Blankenheim) genannt, zwischen denen sich demnach ein Fürstensitz befand. Beim „Solium Gumberti“ handelt es sich offenbar um den Platz, der später vom landgräflichen Hofgut (heute Hofgasse 6 bis 7) eingenommen wurde. Der Name Breitenbach wird zwar nicht erwähnt, obwohl sich die Grenze des „Eherinevirst“ zweifellos durch die heutige Gemarkung zog. Konkret wird der Ort aber erst im Jahre 1074 erstmalig urkundlich erwähnt.
Weitere der oben erwähnten Abschnittsburgen befanden sich auch in Blankenheim, Weiterode und Braach. Daneben baute man in Talebenen meist Wasserburgen, so in Lispenhausen, Schwarzenhasel, Erkshausen, Berneburg und Rotenburg (Altstadt). Zur Zeit Heinrichs IV. (1056-1106) begann man Höhenburgen zu bauen. In unserer Gegend sind dies die Boyneburg, die Wartburg und die Burg Rodenberg.
Die Breitenbacher Gutshof in seiner heutigen Form wurde zur Zeit der zweiten Epoche des Burgenbaus in den Jahren 1057 bis 1070 von König Heinrich IV. bzw. durch dessen Baumeister Benno von Osnabrück erbaut. Möglicherweise wurde der Gutshof an der Stelle des „Solium Gumberti“ errichtet bzw. der Gutshof aus der ersten Epoche des Burgenbaus ausgebaut. König Heinrich IV. ließ den Frankenwall errichten, ein Burgensystem im Fuldatal als Verteidigungslinie gegen die Sachsen und Thüringer. Dieser Frankenwall wurde, wie bereits erwähnt, durch den Baumeister Benno von Osnabrück erbaut. Die im Fuldatal bereits vorhandenen Burgen wurden vergrößert und modernisiert, so wahrscheinlich auch der Gutshof in Breitenbach, welcher einen beträchtlichen Umfang von ca. 100 Schritten hatte. Der Frankenwall diente nicht nur dem Schutz der Klöster Fulda und Hersfeld, sondern er schützte auch die Einfallstraße der Franken nach Sachsen und Thüringen und sicherte das Aufmarschgelände des Reichsheeres im Grenzgebiet.
Die Franken erklärten ihre neu besiedelten Gebiete als Reichsgut, das dem König unterstand. So geriet der Grund und Boden auch im Fuldatal in den Besitz der fränkischen Krone. Der König als Lehnsherr übergab diese Siedlungen seinen adeligen Vasallen oder der Kirche als Lehen. Der bedeutendste Grundbesitzer in unserer Gegend war das Kloster Hersfeld. Dieses war 775 von König Karl zur Reichsabtei ernannt worden, was das Recht einschloss, mit Grundbesitz belehnt zu werden. Für die Verwaltung dieses Besitzes setzten die Lehnsherren oft Vögte als Verwalter ein, die uns in den Urkunden oft begegnen. Der Vogt war zumeist ein in der Gegend ansässiger Adliger aus der Gefolgschaft des Königs, während der Abt des Klosters für die Belange der christlichen Lehre zuständig war. Jeder Ort im Fuldatal hatte drei bis fünf Wirtschaftshöfe, die vom Vogt der Hersfelder Reichsabtei verwaltet wurden. Hierbei handelte es sich um Gebäuden aus Stein. Auf diesen Fronhöfen mussten sowohl die hörigen, landlosen Bauern als auch unfreien Tagelöhner, Knechte, Mägde ihren unbezahlten Arbeitspflichten nachkommen. Diese stellten die große Masse der Bevölkerung und waren von ihren Lehnsherren besonders abhängig, da der Vogt auch für die Rechtsprechung in seinem Bereich zuständig war.
Heinrich IV. residierte in keiner Hauptstadt, sondern reiste mit seinem Gefolge von Pfalz zu Pfalz bzw. von Königshof zu Königshof. Von dort aus ging er seinen Regierungsgeschäften nach. Zu seinem Gefolge gehörte auch eine Kanzlei mit Urkundenschreibern. Heinrich IV. wollte als Nachfolger der fränkischen Könige die Macht in deren Gebieten, zu denen auch die Gegend an der Fulda gehörte, stabilisieren und im sächsisch-thüringischen Raum einen königlichen Herrschaftsbereich gegen den heimischen Adel errichten.
Etwa 70 Jahre nach der Erwähnung dieses „solium Gumberti“ folgte der Höhepunkt in der Geschichte der Hofgutes. Im Jahre 1074 wurde Breitenbach das erste Mal urkundlich erwähnt. Es existieren gleich zwei Urkunden, nämlich vom 27. und vom 28. Januar 1074. Beide wurden von der königlichen Kanzlei ausgestellt. Somit ist Breitenbach der einzige Ort im Altkreis Rotenburg, der gleich mit zwei königlichen Urkunden bedacht wurde. Die Originale liegen im Staatsarchiv zu Karlsruhe, wo alle Urkunden der deutschen Könige und Kaiser aufbewahrt werden. Je eine Kopie beider Urkunden befindet sich im Heimatmuseum in Rotenburg, dem Archiv der Stadt Bebra und der Verwaltungsstelle des Stadtteils Breitenbach.
Betrachten wir nun die Umstände, wie es dazu kam: In den Jahren 1073 bis 1075 führte der fränkische König und spätere deutsche Kaiser Heinrich IV. (1050-1106) die sogenannten Sachsenkriege. Er wollte seine Herrschaft in Sachsen und Thüringen verankern. Jedoch stieß er auf den Widerstand beider Volksstämme. Daher erhoben sich im Jahre 1073 die Sachsen und Thüringer gegen Heinrich IV. Sie standen Anfang 1074 mit etwa 40.000 Mann in einer Front längs des Südhangs des Richelsdorfer Gebirges der königlichen Verteidigungsfront gegenüber. Die königliche Front erstreckte sich von Heringen-Widdershausen über den Hönebacher Sattel entlang der Franzosenstraße bis zur Burg und dem Ort Reichenbach.
Am 26. Januar 1074 rückte König Heinrich IV. mit einem kleinen, aber gut bewaffneten Heer von Wormser Bürgern von etwa 6.000 Mann und dem Aufgebot weniger Bischöfe auf der Kaiserstraße von Worms über Frankfurt und Fulda nach Hersfeld in die fränkische Verteidigungslinie ein. Allerdings weigerten sich die gewappneten Dienstleute der Äbte von Hersfeld und Fulda, wegen des harten Winters und des nicht rechtzeitig erfolgten Aufgebotes, am Feldzug teilzunehmen. Heinrich IV. sandte daraufhin den Hersfelder Abt Hartwig zu den Sachsen, die sich bei Vacha an der Werra versammelt hatten. Der Abt sollte deren Bereitwilligkeit zu Verhandlungen zu erkunden. Heinrich IV. selbst zog am gleichen Tage noch fuldaabwärts bis nach Breitenbach und richtete dort in seiner Königspfalz, dem heutigen Hofgut, sein Hauptquartier und seine Kanzlei ein. Dort wartete der König auf die Rückkehr des zu den Sachsen gesandten Abtes Hartwig. In der Zwischenzeit ging er seinen Regierungsgeschäften nach und ließ zwei Urkunden ausstellen.
Die Wahl Breitenbachs als Hauptquartier war nicht zufällig, sondern strategisch gewählt. Das Fuldatal um Breitenbach war in den nächsten Jahrhunderten oft Ausgangspunkt oder Durchmarschgelände bei größeren militärischen Unternehmungen. Der Talkessel war ein idealer Sammel- und Aufmarschpunkt für ein größeres Heer. Die Ritter und ihre Pferde waren in den benachbarten Dörfern Bebra, Weiterode, Lispenhausen und Breitingen (Wüstung bei Rotenburg) untergebracht. Der König und sein Gefolge (Herzöge, Bischöfe, Äbte, hohe adlige Herren, Diener, Boten u.a.) logierten in der Abtei Hersfeld, während die Kanzleibeamten im Ort Breitenbach oder auf dem Gutshof als seiner Pfalz untergebracht waren. Von dem Gutshof aus ließ sich das gesamte Bebraer Becken überschauen. Der Blick reichte bis zu den Burgen in Rotenburg und Weiterode.
Dort ließ er am 27. Januar 1074 im Königshof Breitenbach von seiner Kanzlei eine Urkunde ausstellen. Er schenkte darin seinem Getreuen Ritter Bodo, dem Vogt der Reichsgüter in Goslar und Umgebung, die Güter in der Nähe der Reichsburg Eckartsberga bei Naumburg an der Saale. Diese Urkunde wurde angefertigt vom Kanzleischreiber Gottschalk von Aachen angefertigt. Er fügte Siegel und Monogramm hinzu. Das Siegel zeigt König Heinrich IV., der auf dem Thron sitzt und auf dem Haupt die Königskrone trägt, das Zepter in der rechten und den Reichsapfel mit dem Kreuz in der linken Hand hält. Die Umschrift auf dem Siegel lautet: „Heinrich, von Gottes Gnaden König“. Das Monogramm diente als Ersatz für die eigenhändige Unterschrift des Königs. Die Kanzlei zeichnete dieses Monogramm bis auf den Querstrich, der dann vom König ausgeführt wurde. Dadurch wurde die Urkunde rechtskräftig. Am Schluss erfolgten die Datierung und der Ausstellungsort: „Glücklich ausgeführt in Breittinbach im Namen Gottes. Amen.“
Am folgenden Tag, nämlich am 28. Januar 1074 wurde von der Kanzlei die zweite Urkunde in Breitenbach für Königin Berta in ähnlicher Form ausgestellt. Darin wurde ihr die Burg Eckhartsberga mit dem dazugehörigen Ort übergeben. Dabei unterlief dem Kanzleischreiber offensichtlich ein Fehler, indem er als Ausstellungsort zunächst „Breittingen“ schrieb. Diesen Fehler korrigierte er dann und vermerkte über der letzten Silbe „bach“.
Schließlich kehrte der Abt zurück und berichtete, dass die Sachsen ihr Heer nur zum Schutz des Landes zusammengezogen hätten, aber keinen Angriff geplant hätten, sondern sogar zu Verhandlungen bereit seien. Dies konnte dem König nur recht sein, denn seinem kleinen Heer standen ca. 40.000 Männer bei den sächsischen Truppen gegenüber.
Am 2. Februar 1074 schloss Heinrich IV. in Gerstungen Frieden mit den Sachsen und verließ mit seinen Truppen das Fuldatal. Daraufhin reiste der König durch das Ulfetal nach Gerstungen und weiter zur Kaiserpfalz nach Goslar.
Solange er selbst vor Ort war, hielten sich die Sachsen an den geschlossenen Frieden. Kaum aber war er wieder in Worms, erreichte ihn die Nachricht von der Zerstörung der Harzburg durch die Sachsen. Der kurze Zeit vorher geschlossene Friede war also gebrochen. Daher entschloss der König sich zur Osterzeit des Jahres 1075 von neuem zu einer Heerfahrt gegen die Sachsen. Sammelpunkt des Heeres sollte wiederum das Bebraer Becken sein, wo sich ca. 40.000 Kämpfer versammelten. Hierüber berichtete der Abt Lampert von Hersfeld: „Hier gebot er am 8. Juni über eine unermäßliche Truppenmenge, wie sie seit Menschengedenken niemals im Deutschen Reiche von einem König aufgebracht worden sei. Was es im Reich an Bischöfen gab, was an Herzögen, an Grafen…alle hatten sich hier versammelt“.
Nach einem dreitägigen Marsch über Weiterode, Hönebach, Gerstungen, Oberellen und Großbehringen, auf dem etwa 50 km zurückgelegt wurden, schlug er die Sachsen in der Schlacht an der Unstrut. Die Reiterverbände des königlichen Heers waren den bäuerlichen Fußtruppen der Sachsen weit überlegen und fügten ihnen eine vernichtende Niederlage zu. Diese mussten sich bedingungslos unterwerfen. Im Oktober 1075 kapitulierten die sächsischen Fürsten bei Sondershausen. Damit waren die kriegerischen Auseinandersetzungen, die auch das Fuldabecken bei Breitenbach betroffen hatten, beendet.
Heinrich IV. war schließlich der deutsche Kaiser, der nicht nur die oben beschriebenen Sachsenkriege führte, sondern auch eine große Rolle im Investiturstreit, d.h. im Machtkampf zwischen Papst und Kaiser um das Recht der Einsetzung der Bischöfe und Äbte, spielte. Papst Gregor VII. (1020-1085) erklärte Heinrich IV. 1077 für abgesetzt und sprach den Kirchenbann über ihn aus. Daraufhin trat Heinrich IV. den Bußgang nach Canossa an. Letztendlich musste er 1105 auf das Drängens seines Sohnes Heinrichs V. abdanken. Ihm folgten die Sachsenkaiser auf dem Thron, unter deren Herrschaft manches anders wurde. Hersfelds Äbte mussten jetzt, vornehmlich seit Otto I., mit ihren Vasallen den Kaiser begleiten.
In einer Ellenbacher Urkunde von 1146 tauchte als Zeuge eines Rechtsgeschäftes u.a. auch ein Juncmann de Breidenbach auf. Hierbei dürfte es sich um einen Lehnsträger des adeligen Hofgutes gehandelt haben.
Das Kloster Blankenheim erwarb mit Zustimmung des Hersfelder Abtes am 20. September 1264 einen Hof in Breitenbach von dem hersfeldischen Gerichtsbeamten in Breitenbach, dem Vogt Berthold (Vogt in Breitenbach von 1248 bis 1272). Auch er dürfte auf dem Hofgut gesessen haben. Dieser tauchte am 4. März 1266, am 22. März 1266, 13. Dezember 1266 und am 15. Mai 1272 erneut als Ritter Bertold, Vogt von Breidenbach, als Zeuge in mehreren in Rotenburg ausgestellten Urkunden auf. In dieser Urkunde geht es darum, dass ein Gut an das Kloster Haina übergeben wurde. Laut einer weiteren Blankenheimer Urkunde vom 11. Februar 1267 entstand bald nach 1264 ein Streit zwischen dem Abt um dem Ritter Theoderich von Gotha, der mit Ansprüchen auf die Besitzungen des Vogtes Bertholdus von Breitenbach aufgetreten war. Der Abt von Hersfeld wies zwar die Forderungen zwar zurück, ließ aber einen Gerichtstag deswegen auf der Burg Creienberg bei Vacha abhalten. Doch Theoderich von Gotha erschien dort nicht und somit wurden seine Forderungen und Ansprüche in Breitenbach hinfällig,
In den Jahren 1312/13 kam es zu einer Fehde zwischen Waldemar von Brandenburg und Friedrich von Meißen auf der einen und dem hessischen Landgrafen Otto (1308-1328) auf der anderen Seite. Hierbei wurden der Ort Breitenbach sowie der Gutshof zerstört. Der zerstörte Herrensitz wurde als Hofgut wieder aufgebaut, welches seit 1317 als Burglehen des Landgrafen verliehen wurde. Von diesem ehemaligen Herrensitz sind noch die mächtigen Mauern nach der Fulda hin sowie die Kellergewölbe unter dem Haus Becker, dem einstigen Herrenhaus, erhalten.
Im Jahre 1392 wurde „das kleine Vorwerk zu Breitenbach“ als Blankenheimer Klosterbesitz genannt. Zu diesem Zeitpunkt übte das Kloster über die in seinem Bereich wohnenden Untertanen die niedere Gerichtsbarkeit aus, d.h. es verhängte Strafen bei geringeren Delikten des Alltags und sprach Recht bei Erbstreit, Grenzstreitigkeiten und Verkäufen. Dennoch mussten die Leute zu Michaelis (29. September) und Walpurgis (1. Mai) das landgräfliche Gericht zu Breitenbach besuchen. Kriminalfälle wurden allerdings vor dem peinlichen Gericht zu Rotenburg verhandelt. Am 20. August 1415 verlieh Landgraf Ludwig I. sein mit 200 Gulden belastete Vorwerk zu Breitenbach an Hans von Trümbach (auch von Trubenbach) und dessen Sohn Hans.
Das Hofgut stand als Burglehen des Landgrafen mehr als hundert Jahre unter wechselnden Besitzern. Als Lehensträger werden um 1400 Lamprecht von Netra, um 1415 die Adeligen von Trubenbach und um 1430 die Adeligen von Dalwig genannt. Im Jahre 1445 erhielt die Familie von Berlepsch das Hofgut als Lehen, welches sie bis 1828 innehatten.
Im Jahre 1469 soll durch ein großes Feuer das ganze Dorf niedergebrannt sein. Möglicherweise ist auch der Gutshof damals teilweise abgebrannt. Der heutige Fachwerkbau dürfte aus dieser Zeit stammen.
Laut der Hausnummerierung von 1767 gehörten zu dem Hofgut drei Wohnhäuser sowie die dazu gehörigen Stallungen und Scheunen. Das Haus Nr. 63 (heute Hofgasse 6) war das Herrenhaus, Haus Nr. 62 (heute Hofgasse 7) war das Gesindehaus und das Haus Nr. 61 war das Schäferhaus. Dieses wurde 1855 abgerissen; an dessen Stelle stehen heute Stallung und Scheune.
Die Wohnhäuser Nr. 61, 62 und 63 gehörten zum Adelsgut der ehemaligen Königspfalz/Hofgut Breitenbach
Lehensträger waren:
1400 Lamprecht von Netra
1415 die Adeligen von Trubenbach
1430 die Adeligen von Dalwig
1445 bis 1828 die Edlen von Berlepsch Nr. 61
Um 1855 abgerissen und auf dem Platz Scheune und Stallung erbaut.
Grundstein im Stallgebäude: CH. B. & El. B. 1858, Schäferhaus des Adelshofes bis 1828
1828 käuflich erworben von Christoph Becker, Landbauer (Sohn des Gastwirts Christian Becker aus Nr. 2), ux Anna Elisabeth Becker
Nr. 62 heute: Hofgasse 7
bis 1828 Gesindehaus des Adelshofes
1828 käuflich erworben von Christoph Becker, ux Anna Elisabeth Becker (wie Nr. 61)
1835 altes Wohnhaus danach abgerissen und neu erbaut.
Grundstein: C.B. Anno 1835.
1874 Heinrich Wilhelm Becker, ux Anna Elisabeth Sophie Becker (Jakobs Tochter)
1888 Heinrich Wetterau (aus Iba), Gutsbesitzer, ux 1. Anna Elisabeth Sophie Becker, Witwe des Vorigen, ux 2. Anna Katharina Schade
1930 Heinrich Wetterau, Bauer, ux Christine Elisabeth Schröder (aus Imshausen)
1975 Hans-Peter Hagemann (aus Friedlos), ux Erna Wetterau
Nr. 63 heute: Hofgasse 6
bis 1828 Herrenhaus des adeligen Lehenshofes, Wohnhaus der Hofmänner (= Verwalter des Adelsgutes)
Hofmänner, (die in diesem Haus, teils nur vorübergehend, wohnten):
1504 genannt Langhanß
1627 Henrich Apel
1697 Christophel Rübekam
1739 Anton Rübekam
1785 Dietrich Rübekam um
1787-1795 Anton Becker, ux Magdalena Rehwald (aus Bebra) (ab 1796 Gasthalter in Nr. 2)
1849 käuflich erworben von Christoph Becker, ux Anna Elisabeth Becker (wie Nr. 61 und 62) 1860 Christian Becker (Heinrichs Sohn), ux Margaretha Elisabeth Gothe
1890 Jakob Becker, Bürgermeister, ux Anna Katharina Becker
Von 1860 bis 1915 gehörten dieser Hof und Hof Nr. 8 in der Fuldastraße 8 einem Eigentümer, es bestand ein Verbindungsweg zwischen Nr. 14 und 15.
1915 Anton Christian Becker, ux Emilie Hermine Fasshauer (aus Kammerbach)
1950 Richard Becker, ux Irene Möller (aus Erkshausen)
2020 Dr. Manuela Schade (Enkelin von Becker)
Über die Lehnsbedingungen des Hofgutes steht in den Rotenburger Salbüchern von 1538, 1576 und 1627, dass die von Berlepsch 250 Schafe triftfrei halten durften. Für alles, was darüber hinausging, musste sie jedoch Triftgeld bezahlen. Ansonsten zahlten die Besitzer dieser „adelsfreien Güter“ ihre Steuern an die Ritterkasse in Kassel. Im Salbuch von 1576 steht, dass Eitel von Berlepsch dieses Gut zu Breitenbach besitzt und die Hofmänner genügend Steuern zu zahlen hatten, wenn der Landgraf einen Feldzug durchführen wollte.
In einem Hersfelder Lehnsbrief vom 24. September 1574 lautete die Lehnsurkunde der Familie von Berlepsch: „Das Vorwerk zu Breidenbach hober [über] Rotenberg gelegen mit allen seinen Rechten und Zugehörungen, welches Lamprecht von Netra gewesen ist und von Reinhard von Dalwigk gekauft.“
In einem späteren Lehnsbrief vom 6. Oktober 1657 wird Burkhard von Berlepsch „für sich und alle rechtmäßigen Erben mit dem Fischwasser zu Breitenbach an der Fulda“ belehnt.
Die von Berlepsch ließen ihre Lehnsgüter von Hofmännern verwalten. Hofmänner waren 1504 Langhanß, 1627 Henrich Apel, 1697 Christophel Rübekam, 1739 Anton Rübekam, 1785 Dietrich Rübekam und 1795 Anton Becker.
Im Lager-, Stück- und Steuerbuch von 1785 werden als Besitzer des Hofgutes genannt: Dieter Rübekam (1/2), Johannes Apel (3/8) und Dieter Brehm (1/8). Weiterhin heißt es „…so aus einem Haus, 125 1/16 Ar 7/8 r Land, 19 Ar 1 1/2 r Wiesen und Garten und in Summa 144 15/16 Ar 2 3/8 r neben der freien Schäferei auf 250 Schafe besteht. Diesen Hof mit Zubehör haben deren jetzigen Beständer Urureltern von denen von Berlepsch um 800 Reichstaler erblich erkauft, welche sich davon jährlich 24 Viertel partim Homburger Maß nebst 2 1/2 Rthlr von der freien Schäferei vorbehalten…“.
Christoph Becker hatte 1818 den ganzen Hof käuflich erworben. Das Haus Hofgasse 6 ist noch heute in Besitz von dessen Nachkommen, während das Haus Hofgasse 7 später an die Familie Wetterau und deren Nachkommen überging.
Abschließend ist zu betonen, dass das Hofgut in Breitenbach von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung ist. Das ursprüngliche Alter des Gebäudekomplexes dürfte über eintausend Jahre betragen, auch wenn Teile später umgebaut bzw. erweitert, abgebrannt und neu aufgebaut wurden. Zumindest die Ursprünge sind fränkisch. Zudem ist das Herrenhaus der Ort der Ausstellung der Ersterwähnungsurkunden von Breitenbach aus dem Jahre 1074. Nicht zuletzt war dieser Gutshof die ehemalige Königspfalz des im Zusammenhang mit dem Investiturstreit in allen Geschichtsbüchern auftauchenden König Heinrich IV. Außerdem tauchen einige für die Region bedeutende niedere Adelige wie die Herren von Berlepsch auf.
Quellen:
- Rotenburger Salbuch von 1538 [StAM, S 533]
- Rotenburger Salbuch von 1576/79 [StAM, S 535]
- Rotenburger Salbuch von 1627 [StAM, S 541]
- Lager- Stück- und Steuerbuch der Dorfschaft Breidenbach von 1785 – Vorbeschreibung – [StAM, B 3]
Literatur:
- Degenhardt, Günter: Breitenbach und seine Bewohner bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Bebra-Breitenbach 1999.
- Degenhardt, Günter: Breitenbach und seine Bewohner. Ergänzende Einzeldarstellungen, Bebra-Breitenbach 2002.
- Degenhardt, Günter: Die ehemalige Hofburg in Breitenbach, in: Rund um den Alheimer Band 25, Rotenburg 2005, S. 23-33.
- Demandt, Karl E.: Geschichte des Landes Hessen, Kassel und Basel 1972.
- Eichhorn, Rudi und Dr. Daniel Fenner: Chronik Breitenbach, Breitenbach 1974.
- Eichhorn, Rudi: Bebra. Chronik einer Stadt Teil II, Bebra 1991.
- Fenner, Daniel: Königsurkunden von Breitenbach; in: Hessische Allgemeine vom 25.10.1969.
- Fenner, Daniel: Burg und Gutshof kombiniert; in: Hessische Allgemeine vom 04.08.1971.
- Fenner, Daniel: Die Burg in Breitenbach, in: Mein Hessenland, September 1971.
- Fenner, Daniel.; Die große Burg der „roten Grafen“, in: Hessische Allgemeine vom 18.09.1971.
- Fenner, Daniel; Zunächst fünf Orte eingegliedert, in: Hessische Allgemeine vom 16.12.1972.
- Fenner, Daniel: Vom Frankenland zum Fuldastrand; in: Hessische Allgemeine vom 21.07.1973.
- Fenner, Daniel: Breitenbach 900 Jahre alt, 1974.
- Fenner, Daniel: 40.000 Soldaten im „Fuldabecken“; in: Hessische Allgemeine vom 21.10.1975.
- Festausschuss zur 925-Jahrfeier (Hg.): Festschrift 925 Jahre Breitenbach, Bebra-Breitenbach 1999.
- Gladiss, Dietrich von und Alfred Gawlitz: Monumenta Germaniae historica. Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser. Band 6, 1941-1978.
- Grunz, Hans: Breitenbach an der Fulda. Eine Chronik, Bebra-Lüdersdorf 1993.
- Grunz, Hans: Spezialbeschreibung der Dorfschaft Breitenbach (1785), in: Rund um den Alheimer Band 17, Rotenburg 1995/96, S. 56-74.
- Ide, Wilhelm: Chronik der Gemeinde Breitenbach, Breitenbach 1953.
- Kittelmann, Hans-Günter (Hg.): Das edle Kleinod an der hessischen Landeskrone von Friedrich Lucae. Kassel 1996.
- Landesamt für Denkmalpflege (Hg.): Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Band 1, Wiesbaden 1997.
- Löwenstein, Uta: Rotenburg an der Fulda 1248-1574. Quellen zur Geschichte einer hessischen Stadt, Marburg 2010.
- Manuskript zur Chronik von Breitenbach. 950-Jahrfeier 2024, hier: Kapitel 7/Ersterwähnung (von Gerhard Rabe), Kapitel 8/Breitenbach im Mittelalter (von Martin Ludwig) und Kapitel 15/Adelsgüter (von Martin Ludwig), erscheint voraussichtlich im Dezember 2023.
- Schellhase, Karl: Nachrichten zur Geschichte des Dorfes und der Kirche Breitenbach a. d. F., in: Der Kreis Rotenburg in alter und neuer Zeit Nr. 17-19, 1935.
- Schellhase, Karl: Territorialgeschichte des Kreises Rotenburg an der Fulda und des Amtes Friedewald, Marbug 1970.
- Weibezahn, Fritz: Breitenbach, das Dorf an der Fulda, in: Rund um den Alheimer 1953-55, Kassel 1955, S. 50-53.